2.1 Grundlagen

FMEA zielt darauf, Fehler von vornherein zu vermeiden, statt sie nachträglich zu entdecken und zu korrigieren. Bereits in der Entwurfsphase sollen potenzielle Fehlerursachen identifiziert und bewertet werden. Damit werden Kontroll- und Fehlerfolgekosten in der Produktion oder gar beim Kunden vermieden. Durch die dabei gewonnenen Erkenntnisse wird zudem die Wiederholung von Entwurfsmängeln bei neuen Produkten und Prozessen vermieden.

Die Methodik der FMEA soll schon in der frühen Phase der Produktentwicklung (Planung und Entwicklung) innerhalb des Produktlebenszyklus angewandt werden, da eine Kosten-/Nutzenoptimierung in der Entwicklungsphase am wirtschaftlichsten ist (präventive Fehlervermeidung). Je später ein Fehler entdeckt wird, desto schwieriger und kostenintensiver wird seine Korrektur sein.

FMEA Arten

Es gibt viele verschiedene FMEA-Arten (Bezeichnungen). Folgend wird ein Ausschnitt
der im Umlauf befindlichen Arten dargestellt.

ArtBeschreibung
Design-FMEA (D-FMEA)Die Design- oder Konstruktions-FMEA dient der Entwicklung und Konstruktion dazu, die Fertigungs- und Montageeignung eines Produkts möglichst frühzeitig einzuschätzen. Die Betrachtung beinhaltet systematische Fehler während der Konstruktionsphase.
Prozess-FMEA (P-FMEA)Die Prozess-FMEA (auch P-FMEA) stützt sich auf die Ergebnisse der Konstruktions-FMEA und befasst sich mit möglichen Schwachstellen im Produktions- oder Leistungsprozess.
System-FMEA (S-FMEA)Die System-FMEA untersucht das Zusammenwirken von Teilsystemen in einem übergeordneten Systemverbund bzw. das Zusammenwirken mehrerer Komponenten in einem komplexen System. Sie zielt dabei auf die Identifikation potenzieller Schwachstellen, insbesondere auch an den Schnittstellen, die durch das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten oder die Interaktion des eigenen Systems mit der Umwelt entstehen könnten. Die Betrachtung beinhaltet zufällige und systematische Fehler während des Betriebs.
Hardware-FMEAEine Hardware-FMEA hat zum Ziel, Risiken aus dem Bereich Hardware & Elektronik zu analysieren, zu bewerten und mit Maßnahmen abzustellen.
Software-FMEAEine Software-FMEA leistet dieselbe Aufgabe wie die Hardware-FMWA für erzeugten Programmcode.

Durch den VDA wurde die System-FMEA und die HW- / SW- / Konstruktions-FMEA zur sogenannten Produkt-FMEA zusammengefasst, da das zu betrachtende System meist nicht eindeutig aufgelöst werden kann.

Die System-FMEA Produkt wird innerhalb des Entwicklungsprozesses angewandt. Ihre Aufgabe ist es einerseits, das Produkt auf Erfüllung der im Pflichtenheft festgelegten Funktionen hin zu untersuchen, andererseits aber vor allem, Fehlermöglichkeiten, die zur Nichterfüllung der Anforderungen führen, zu sammeln und zu bewerten. Dabei sind für alle risikobehafteten Teile eines Produkts geeignete Maßnahmen zur Vermeidung oder Entdeckung der potenziellen Fehler zu planen. Die System-FMEA auf Bauteilebene entspricht der bisherigen Definition der Konstruktions-FMEA. Sie dient zur Analyse aller Bauteilmerkmale, die zur Erfüllung der geforderten Bauteilfunktion notwendig sind.

Die System-FMEA Prozess wird noch innerhalb des Produktionsplanungsprozesses angewandt. Sie baut logisch auf den Ergebnissen der untergeordneten FMEA auf. Ein Fehler der System-FMEA Produkt, dessen Ursache im Herstellungsprozess liegt, wird folgerichtig als Fehler in die Prozess-FMEA übernommen. Aufgabe der System-FMEA Prozess ist es, den gesamten Herstellungsprozess eines Produktes auf die Eignung zur Herstellung des Produktes hin zu untersuchen. Dabei sind für alle Fehler, die bei der Herstellung des Produkts auftreten können, geeignete Maßnahmen zu deren Vermeidung oder Entdeckung zu planen.

Anwendung

Bei der Anwendung wird zunächst ein Team aus Mitarbeitern verschiedener Unternehmensfunktionen (interdisziplinäres Team) gebildet. Einzubeziehen sind insbesondere Konstruktion, Entwicklung, Versuch, Fertigungsplanung, Fertigungsausführung, Qualitätsmanagement. Der Analyseprozess selbst wird dann mithilfe von Formblättern (QS9000) oder entsprechender Software in formalisierter Weise durchgeführt.

Die FMEA enthält

  • eine Eingrenzung des betrachteten Systems,
  • eine Strukturierung des betrachteten Systems,
  • Definitionen von Funktionen der Strukturelemente,
  • eine Analyse auf potenzielle Fehlerursachen, Fehlerarten und Fehlerfolgen (z.B. unter Anwendung der W-Fragen), die sich direkt aus den Funktionen der Strukturelemente ableiten,
  • eine Risikobeurteilung,
  • Maßnahmen- bzw. Lösungsvorschläge zu priorisierten Risiken
  • eine Verfolgung vereinbarter Vermeidungs- und Entdeckungsmaßnahmen und
  • eine Restrisikobeurteilung bzw. -bewertung.

Potenzielle Fehler werden analysiert, indem der Fehlerort lokalisiert wird, die Fehlerart bestimmt, die Fehlerfolge beschrieben und anschließend die Fehlerursache ermittelt wird. Zur Ermittlung denkbarer Fehlerursachen wird häufig ein sogenanntes Ursache-Wirkungs-Diagramm erstellt. Es ist möglich, dass schon aufgrund einer erkannten Fehlerursache unmittelbar Hinweise auf mögliche Maßnahmen zur Fehlervermeidung abgeleitet werden können.

Die Kennzahlen B, A und E zur Bedeutung der Fehlerfolge, Auftretenswahrscheinlichkeit der Fehlerursache und Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers oder seiner Ursache sind eine Grundlage zur Risikobeurteilung. Die Kennzahlen sind ganzzahlige Zahlenwerte zwischen 1 und 10 und werden unter Zuhilfenahme von Bewertungskatalogen vergeben.

Mit der Berechnung der Risiko-Prioritätszahl (RPZ) wird der Versuch gemacht, eine Rangfolge der Risiken zu erstellen. Die RPZ entsteht durch Multiplikation der B-, A- und E-Bewertungszahlen (RPZ = B x A x E) und kann dementsprechend Werte zwischen 1 und 1000 annehmen. Das Ziel der RPZ ist, die Bedeutung und den Rang eines Fehlers abzuschätzen, um hieraus Prioritäten für die zu ergreifenden Maßnahmen abzuleiten.

Maßnahmen

Wird die ermittelte RPZ als zu hoch bewertet, müssen Maßnahmen zur Reduzierung eingeleitet werden. Es wird zwischen Vermeidungsmaßnahmen und Entdeckungsmaßnahmen unterschieden. Vermeidungsmaßnahmen dienen zur Begründung der Bewertungszahl für die Auftretenswahrscheinlichkeit (A) und Entdeckungsmaßnahmen zur Begründung der Bewertungszahl für die Entdeckungswahrscheinlichkeit (E). Maßnahmen beim Ist-Stand (Anfangsstand) werden meist ohne Verantwortlichen und Termin dokumentiert. Mit den Bewertungszahlen für B, A und E wird die RPZ für den Ist-Stand berechnet.

Zusätzliche Maßnahmen sind darauf gerichtet,

  • die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Fehlerursache zu reduzieren (z. B. durch den Einbau verbesserter Bauteile).
  • die Entdeckungswahrscheinlichkeit für eine potenzielle Fehlerursache zu erhöhen, indem bspw. zusätzliche Prüfungen vorgesehen werden.

Bei Änderungen am Produkt oder Prozess ist für den durch die Änderung betroffenen Bereich eine neue Risikobetrachtung erforderlich. Ein modifiziertes Bauteil kann z. B. neben positiven Aspekten ein höheres Gewicht oder einen höheren Stromverbrauch haben.

Die Entdeckungsmaßnahme wird aus pragmatischen Gründen meist nicht die Fehlerursache entdecken, sondern den Fehler oder die Fehlerfolge. Die Dokumentation erfolgt dennoch meist bei der Fehlerursache.

Soll ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess unterstützt werden, dann werden die Maßnahmen in Maßnahmenständen mit jeweils eigener A- und E-Bewertungszahl und damit eigener RPZ gruppiert. Im Bereich der Automobilindustrie werden bei Konstruktions-FMEA die Maßnahmenstände zudem kategorisiert, um bei Fehlerursachen auf die Themenfelder Entwicklung, Feld und Service eingehen zu können. In jeder Kategorie gibt es eine eigene RPZ.

Die Risikobewertung findet in der aktuellen FMEA nicht mehr alleine durch die bereits genannte RPZ statt, sondern vielmehr nach folgendem Ablauf:

Höchste Prioritäten haben hohe Bedeutungen (10), danach wird das Produkt aus Bedeutung und Auftretenswahrscheinlichkeit betrachtet (B x A), dieses wird auch als Kritikalität oder Technisches Risiko bezeichnet. Erst dann greift zur Priorisierung der restlichen Punkte die RPZ.

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